Seit dem russischen Truppenaufmarsch an den ukrainischen Grenzen ab dem Spätherbst 2021 und den diplomatischen Bemühungen westlicher Politiker gegenüber der russischen Führung um Wladimir Putin ist wieder viel von Appeasement-Politik (Beschwichtigungspolitik) die Rede. Das ist vollkommen berechtigt, denn das aktuelle Szenario (Stand der Betrachtung: 26. Februar 2022, dritter Tag der russischen Invasion in der Ukraine) weckt ungute Erinnerungen an die 1930er-Jahre. Damals hatten westliche Politiker, allen voran der britische Premier Neville Chamberlain, gegenüber Adolf Hitler ebenso eine Beschwichtigungspolitik verfolgt und ihm praktisch gestattet, ohne Sanktionen die Tschechoslowakei zu besetzen. Das tat Hitler, ein Jahr später brach er mit dem Überfall auf Polen den Zweiten Weltkrieg vom Zaun. Nachfolgend findet man mehr zur Appeasement-Politik. Von einer Zusammenfassung, über die Motive und der anschließenden Bewertung. Am Ende findet man noch eine Ergänzung zu Appeasement-Politik zur aktuellen politischen Lage.
Inhalt
Was war die historische Appeasement-Politik der 1930er-Jahre?
Mitte der 1930er-Jahre wurde nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland den westlichen Mächten klar, dass das Hitler-Regime eine aggressive und möglicherweise expansive Politik verfolgen würde. Britische und französische Politiker, allen voran Neville Chamberlain, glaubten jedoch an die Möglichkeit der Eindämmung und „Befriedung“ Deutschlands. Sie gingen davon aus, dass in der deutschen Regierung neben den „Falken“ um Hitler auch „Tauben“ anwesend sein müssten, die durch Zugeständnisse vor allem im wirtschaftlichen Bereich innerhalb ihrer Regierung eher die Westanbindung präferieren würden.
Vertreter der vermeintlichen Tauben in der deutschen Regierung sollten der Reichswirtschaftsminister Hjalmar Schacht und der preußische Ministerpräsident Hermann Göring sein, was sich als verheerender Irrtum erwies.
Den Falken ordnete man den Außenminister Joachim Ribbentrop und den Reichspropagandaminister Joseph Goebbels zu.
Als nun Adolf Hitler 1938 die Angliederung des (tschechischen) Sudetenlandes an das Deutsche Reich forderte, gab man dem mit dem Münchner Abkommen von 1938 nach, um keinen Krieg in Europa zu provozieren. Schon vor der Machtergreifung Hitlers hatte es in Deutschland politische Strömungen gegeben, die eine Revision der Auflagen gegen Deutschland im Versailler Vertrag forderten. Dieser Vertrag hatte Deutschland nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg zu schmerzhaften Reparationen verpflichtet. Schon 1932 hatte nun ein Amtsvorgänger von Chamberlain (Ramsay MacDonald) auf einer Konferenz in Lausanne die französische Regierung gedrängt, den deutschen Forderungen nachzugeben.
MacDonald gilt als der eigentliche Vater der Appeasement-Politik. Die damaligen europäischen Politiker hofften auf ein vertraglich fixiertes europäisches Sicherheitssystem, das den Prinzipien des Völkerbundes (Vorläufer der 1945 gegründeten UNO) folgen sollte. Diese Bemühungen ähneln denen der modernen Westmächte ab den 1990er-Jahren, Russland nach dem Zerfall der Sowjetunion in die Weltgemeinschaft einzubinden.
Doch Hitler verletzte alsbald nach seiner Machtergreifung den Versailler Vertrag. Er ließ Deutschland (zunächst heimlich) wieder aufrüsten, was ihm nach dem Versailler Vertrag verboten war, er ließ die Wehrmacht ins entmilitarisierte Rheinland einmarschieren und er führte die allgemeine Wehrpflicht ein. Mit diesen Handlungen, die im Westen inklusive der Aufrüstung nicht lange unbemerkt blieben, flammte das Appeasement der frühen 1930er-Jahre vor allem in Großbritannien wieder auf. Führende britische Politiker äußerten Verständnis für das deutsche Sicherheitsbedürfnis und ließen Hitler seine Vertragsverletzungen durchgehen.
Für das damalige britische Appeasement gab es auch innenpolitische Gründe. Großbritannien war wirtschaftlich schwach und kriegsmüde. Im Ergebnis dieser Lage stimmten die Westmächte im Münchner Abkommen von September 1938 dem Einmarsch der Wehrmacht ins Sudetenland zu, der am 1. Oktober erfolgte. Schon im März 1938 war der (praktisch freiwillige) Anschluss Österreichs an Deutschland erfolgt. Die deutsche Wehrmacht hatte einige Monate vor dem Einmarsch mit massiven Manövern an der tschechischen Grenze begonnen (in Bayern und Sachsen), in Europa herrschte hektische Telefondiplomatie, die Westmächte waren sich mal einig und mal nicht.
Motive für die Appeasement-Politik
Das wichtigste Motiv für Appeasement ist der Wunsch nach Frieden und zivilisierten Verhandlungen zwischen kultivierten Völkern. Dieses Motiv ist so alt wie die Menschheit, doch ebenso alt ist leider die Fähigkeit und Neigung von Völkern und Menschen, sich gewaltsam zu begegnen. Die gesamte Menschheitsgeschichte besteht aus einem Ringen dieser beiden Bestrebungen von Menschen. Die Freudsche Psychoanalyse greift sie mit dem Modell des Zwiespalts zwischen Eros und Thanatos auf. Die Beziehungen aller Menschen zueinander enthalten stets die beiden Komponenten der Partnerschaft und Gegnerschaft.
Appeasement glaubt, man könne allein auf die Partnerschaft setzen. Das wird aber niemals gelingen. Menschen, Staatsführer und Völker brauchen Regeln und auch Grenzen. Sie müssen jederzeit wissen, dass eine Grenzüberschreitung Konsequenzen haben wird. Diese Erkenntnis ist eigentlich banal und wird im alltäglichen Zusammenleben vielfach umgesetzt. Wir halten mit dem Auto vor einer roten Ampel an. Wenn wir dies nicht tun, hat es schmerzhafte Konsequenzen. Dabei überkommt uns immer wieder der Wunsch, diese Regel zu brechen, wenn wir es eilig haben. Gäbe es nicht die schmerzhaften Konsequenzen, sondern würde uns stattdessen jemand gut zureden wollen und auch mal ein Auge zudrücken (Appeasement), dann würden wir die rote Ampel immer häufiger überfahren, bis wir in unserem Größenwahnsinn die Weltherrschaft über alle Ampeln anstreben würden. Nein: Appeasement funktioniert nicht.
Bewertung der Appeasement-Politik
Die Geschichtsschreibung ist sich heute weitgehend darüber einig, dass ein Diktator wie Hitler nicht mit Appeasement einzudämmen ist. Das hat die Entwicklung seit 1938 schließlich gezeigt. Die Beschwichtigungsversuche werden von Aggressoren stets als Zeichen der Schwäche interpretiert, sodass sie ihre Aggression immer weiter fortsetzen. Sie sind dann nur noch gewaltsam zu stoppen.
Das ist die schlimmste Folge der Appeasement-Politik: Hätte man dem Aggressor nämlich rechtzeitig die rote Linie aufgezeigt, hätte er es sich vielleicht noch überlegt und wäre gesichtswahrend von seinem Vorhaben abgerückt. Ab einem bestimmten Punkt, wenn die Kriegsmaschinerie läuft, ist das nicht mehr möglich.
Appeasement-Politik und Wladimir Putin
Wie die Geschichte lehrte, hatte das ganze Appeasement (to appease = beschwichtigen) nichts genutzt. Chamberlain hatte geglaubt, er könnte Hitler besänftigen. Es ist unfassbar, wie sich nun die Geschichte wiederholt, denn dasselbe wie damals Chamberlain glaubte bis vor wenigen Tagen Emmanuel Macron gegenüber Putin. Dieser hat sich nicht beschwichtigen lassen, sondern die Ukraine überfallen und inzwischen den Finger auf dem Atomknopf, mit dem er die westliche Welt bedroht. Zitat Putin kurz nach Invasionsbeginn: „Wenn der Westen sich einmischt, wird er Konsequenzen erleben, die niemand je in seinem Leben erlebt hat.“ Das ist die unverhohlene Drohung mit nicht nur einem singulären Atomschlag vielleicht auf eine US-Stadt, sondern mit einer Armada von Atomraketen. Dabei lautet die Lehre aus der historischen Appeasement-Politik klar und eindeutig: Aggressoren und Diktatoren lassen sich nicht beschwichtigen. Sie verstehen bestenfalls die Sprache der militärischen Abschreckung.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass sich Putin zu einem Aggressor entwickelt, war in den vergangenen zwei Jahrzehnten so nicht vorauszusehen. Er wurde im Jahr 2000 erstmals russischer Staatschef und galt bislang als kooperativ, vernünftig und vergleichsweise umgänglich. Daher lehrt uns die moderne Geschichte: Auch ein vermeintlich „lupenreiner Demokrat“ (so der Altkanzler Gerhard Schröder im Jahr 2004 über Putin) kann sich zum Aggressor wandeln. Dies müssen echte Demokraten schnell erkennen.
Wenn ich eine ukrainische, Mutter, Oma usw. wäre, hätte ich am 25.2. d.J. die weiße Fahne raus gehängt. Diese vielen Todes- und sonstigen Opfer sind nicht den Preis für "Freiheit" hinnehmbar. Die Ukraine wird den Krieg nicht gewinnen. Teile des Ostens sind brreits verloren. Krieg bringt nur Verlierer .Es wird in irgendwann eine Bewegung in der Ukraine und in Rußland , wie in der ehemaligen DDR beginnen, dann lebt Putin sich nicht mehr und es bestehen Hoffnung und Chance, auch für die anderen Menschenauch in Rußland, die nicht Putins verachtendes Menschenbild haben